Erwin Bowien war ein überzeugter Pazifist und Nazigegner. Seine Erlebnisse im Ersten Weltkrieg – Bowien war 1917 als 18-Jähriger zur Front eingezogen worden – hatten seine Ablehnung gegen Krieg und Gewalt bestärkt. Obwohl ihm das „Töten“ durch einen unglaublichen Zufall erspart blieb – dank seiner Französischkenntnisse wurde er in eine Abhöreinheit versetzt – waren seine Kriegserlebnisse überaus traumatisch. Er erlebte nicht nur das große Sterben direkt an der Front. Sein Einsatz war zudem überaus gefährlich, musste er doch in engen Minenschächte unterhalb der gegnerischen Front verharren, um die Feldtelefone abzuhören und die abgefangenen Nachrichten zu übersetzen. Diese unterirdischen Gänge wurden regelmäßig aufgespürt und in die Luft gejagt. Viele seiner Kameraden wurden lebendig begraben. Die Tätigkeit war so gefährlich, dass der junge Mann bei Kriegsende mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde. Die politische Entwicklung in Deutschland missfiel dem Künstler sehr. Er wurde nicht müde, vor dem Nationalsozialismus zu warnen. Im Winter des Jahres 1933 nahm er noch einen letzten Auftrag als Dozent an der Volkshochschule in Solingen an, entschied sich dann aber aus Gewissensgründen – obwohl er in Solingen ein geschätzter Künstler war – sein Künstleratelier im Hause Heinen aufzugeben und ins selbstgewählte Exil in die Niederlande zu gehen. Die Armut und den Neuanfang buchstäblich bei „Null“ nahm er dabei in Kauf.
Nach mehreren Etappen fixierte er sich in Egmont a.d. Hoef in der Nähe von Alkmaar. Seine Solinger Freunde besuchten in oft in seinem Exil. Langsam machte er sich einen Namen als Portrait- und Landschaftsmaler und erhielt zunehmend Aufträge. Im Mai 1940 wurde seine Existenz durch den deutschen Überfall auf die Niederlande erneut zerstört. Er kam in Haft. Nach der Entlassung bereitete er sich darauf vor, in den Untergrund zu gehen. Er schaffte es noch, die Freilassung einer holländischen Geisel zu erwirken. Die folgenden Jahre waren eine stete Flucht von Ort zu Ort. Im Jahre 1943 wurde er unvorsichtig und blieb länger in Augsburg. Dort kauft er in großen Stil auf Pavatex gedruckte Bilder mit NS-Motiven auf, um die Bilder abzukratzen und neu grundiert als Malvorlage zu nutzen. Er wurde denunziert, seine Bilder von der Gestapo beschlagnahmt. Die Reichskulturkammer verhängte ein Ausstellungsverbot. Der Künstler schaffte es jedoch sich rechtzeitig abzusetzen und kam ins kleine Dorf Kreuzthal-Eisenbach welches sich auf beiden Seiten der Grenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg erstreckt. Nachdem er wieder – durch eine glückliche Fügung – im Dezember 1943, einer erneuten Kontrolle entkommt, wagte er sich nicht mehr aus seinem Versteck, und blieb bis Kriegsende in Kreuztal-Eisenbach. Da er keine gültigen Militärpapiere besaß, riskierte er auch dort jederzeit die Verhaftung. Er nutzte die erzwungene Zeit, um in diesem verlorenen Dorf „am Ende der Welt“ ein Tagebuch auf Französisch zu verfassen, in welchem er die spannende Chronik des Dorfes am Kriegsende festhielt. Der Krieg spielt sich hinter dem Berg ab, das Dorf füllt sich mit Flüchtlingen, erst die „Ausgebombten“, dann die Flüchtlinge aus dem Osten, zuletzt fliehender Soldaten. Die Obrigkeit im Dorf tut bis zuletzt so, als wäre alles in Ordnung. Eine Welt wie bei Kafka oder Sartre. Es entstand ein spannendes – weitestgehend auf Dialoge basierendes Werk, welches bestens geeignet ist, verfilmt zu werden. Das Buch wurde im Jahr 2000 im renommierten Harmattan Verlag in Paris publiziert. In dieser Zeit schaffte es Bowien, zusammen mit anderen gleichgesinnten, einen entflohenen französischen Kriegsgefangenen zu verstecken. 1945 verließ Bowien das Allgäu, um in Solingen, in seinem alten Atelier in der Ortschaft Neuenhaus, eine Künstlerkolonie zu gründen.